Andreas Krumnow - Motorrad

Motorradfahrer:
Auf zwei Rädern bin ich unterwegs, seit ich denken kann. Mit dreizehn durfte ich mal auf dem Mofa eines Freundes gefahren, mein erstes eigenes Teil war dann mit sechzehn die "Zündapp CS 50", mit der ich dann auch nach Südfrankreich, in die Sommerferien, gefahren bin.

Die 27 PS starke 400er Yamaha (weiß nicht mehr genau wie das Modell hieß), war der Hammer. Dieser Durchzug, die wahnsinnige Endgeschwindigkeit von ca. 150 km/h, das war schon was. Ich war der "Highway-Star". Zwei Jahre lang. Ich trat dem Motorradclub "Kuhle Wampe" bei und wir hatten ne Menge Spass. Doch irgendwann wurde mir der Club zu politisch. Schließlich wollte ich Motorrad fahren und nicht Politiker werden. Also trat ich wieder aus.

Es folgten ein paar Jahre, in denen ich mir ein Motorrad finanziell nicht leisten konnte und es fing 1991 mit nem Mofa wieder an, das ich mir billig zusammengeschraubt hatte. Ein halbes Jahr später war es dann nochmal ein Mokick (50 ccm), das mich zur Arbeit brachte. Erst 1994 konnte ich mir dann wieder was größeres leisten. Eine Suzuki GS 400, mit auch wieder 27 PS. Die brachte mich auch zwei Jahre dahin, wohin ich wollte, bis mich dann das Angebot für das Nachfolgemodell mit 50 PS ansprang.

Ja, erstmals 50 PS, 185 km/h Spitze, jau! Leider hat mich dann die Rennleitung zu einer dreimonatigen, dreihundert D-Mark teuren und vier Punkte kosteten, Pause gezwungen, so daß die erste Wintersaison zugunsten des ÖPNV ausfiel. Danach beachtete ich wieder mehr die örtlichen Höchstgeschwindigkeiten.
Irgendwann mitten in der Nacht auf der Autobahn 15 km vor Zuhause, fing der Motor an zu klopfen. OK, das gute Stück brachte mich noch bis zur Haustür, um dann mit einem Herzerweichenden Röcheln und anschließendem "KLONK" alle viere von sich zu strecken. Um es kurz zu machen: beim auseinandernehmen des Motors stellte sich eine gebrochene Kurbelwellenlagerschale als Übeltäter heraus. Also wurde dieses Teil zu Apothekerpreisen beim Händler bestellt und der Rest beim Schrotthändler besorgt. Bei der Gelegenheit habe ich gleich ein paar Kolben erster Übergröße besorgt und den Zylinder neu aushonen lassen. Damit war der Motor wie neu. (Die kleine Zahnradanimation auf der Hauptseite, ist übrigens ein Teil der originalen Getriebewelle aus meinem ehemaligen Motor.)

Beim Schrotthändler sah ich sie. Schon aus der Ferne. In Gelb. Und tatsächlich, sie kam näher, wurde langsamer, hielt direkt vor mir an. Ich war sofort unsterblich verliebt. Und als ich den Fahrer nur aus Spass fragte, was sie denn kosten solle, sagt der doch glatt, ja, für siebeneinhalb könne ich sie haben. Wir tauschten die Adressen, und ich klapperte alle möglichen Geldquellen ab. Irgendwie hab ich den Betrag zusammenbekommen und ein Wochenende später war sie mir, die Kawasaki ZZR 600.
Jetzt war ich in der Königsklasse. 98 PS, 240 km/h, Vollverkleidung. Damit konnte ich mitreden. In diesem Moment hatte ich ein Motorrad zuviel, also verkaufte ich die 500er Suzi. Ein, zwei kleinere Schönheitsarbeiten musste ich noch machen, aber ich war glücklich.
Es wurde zur Gewohnheit, nach der Arbeit erstmal zum Feldberg/Ts. raufzufahren und mit den Fahrern zu klönen, die da schon eine kleine Stammmannschaft bilden. Man tauschte sich aus, frotzelte über die anderen Maschinen und fuhr auch schon mal das ein oder andere kleine Rennen, hart am erlaubte Geschwindigkeitslimit natürlich. Da kam es schon mal vor, daß man seine Spur der Strasse vollständig ausgenutzt hat. Was bei Linkskurven die Schotter- und Wegrutschgefahr und bei Rechtskurven die "entgegenkommendes Fahrzeug"-Gefahr, bedeutet.

Die erste Warnung kam im April 2000 irgendwo im Vogelsberg, als ich in einer Rechtskurve mit Hilfe meines linken, kleinen Fingers und des Lenkervibrationsdämpfers, einem Range Rover den linken Aussenspiegel amputierte. Ausser dem Schaden am Auto brach mir beim Umfallen der Fussbremshebelund die rechte Fussraste ab. Auch das letzte Glied meines kleinen Fingers ging entzwei. War schon unangenehm, so ohne Fussraste und mit schmerzender Kupplungshand, vom Vogelsberg aus nach Frankfurt zurück zu fahren.

Die zweite Warnung war nachhaltiger. Am 8.8.2000 fuhr ich wieder mal mit ein paar Freunden, im Hintertaunus rum. Wir waren zu viert, ich lag auf Platz drei. Die beiden vor mir waren schon 500 Meter weiter und der hinter mir einen Kilometer zurück. In irgend so einer Rechtskurve, ich brauchte natürlich meine komplette Spur, wurde es wohl eng, als mir der VW-New-Beetle ein paar Zentimeter Strasse wegnahm.
Ich wollte immer schon mal in einem Hubschrauber fliegen. Das war mein Gedanke, als ich für ein paar Sekunden das Bewußtsein wiedererlangte. Es war eng, dunkel / schummrig, es roch schlecht. Um mich herum war das rauschende Knattern von Rotoren. Dann war ich wieder weg.
Als nächstes nahm ich einen Haufen Stangen, Schläuche und grüne Tücher wahr. Die Stangen kamen aus meinem Bein, aus meinem Arm, samt Schläuchen aus mir raus. Ich wollte schlucken und konnte nicht, als mir der Arzt den Tubus aus der Luftröhre zog. Dann konnte ich den Kopf ein wenig drehen und sah eine Frau, die gerade sagte: "Herr Krumnow, Sie hatten einen Unfall, Sie sind im Krankenhaus, es wird alles wieder gut, bewegen Sie sich nicht. "

Es folgten sechs Wochen stationärer Aufenthalt, wobei ich die ersten zwei Wochen gefüttert und gewaschen (weitere Details intimerer Art spare ich mir hier) werden musste, da mein linker Oberschenkel und mein linker Arm gebrochen, und mein rechter Arm gelähmt war. Es ist immer wieder erstaunlich, wozu man in Extremsituationen in der Lage ist. Nur zwei Wochen, und ich konnte den linken Arm wieder geringfügig einsetzen, wieder selbst etwas vom Teller in den Mund schieben, alleine zur Toilette gehen, pardon rollen.
Der Beinbruch brauchte etwa drei Monate. Nach den sechs Wochen Unfallklinik kamen nochmal zwei Monate Spezialkrankenhaus wegen dem gelähmten rechten Arm. Es wurden meine Nerven vermessen, die Hirnströme untersucht und physiotherapeutische Übungen gemacht. Das half zwar meinem linken Arm und Bein, der rechte Arm jedoch blieb gelähmt. Dazu kamen Nervenmissempfindungen, die mir das Gefühl verursachten, das Fleisch würde von den Fingern gekocht.
Ich wurde in eine Spezialklinik nach Hanover überwiesen. Dort stellten die Ärzte fest, nachdem sie mir Kontrastflüssigkeit in die Wirbelsäule gefüllt hatten, daß es mir beim Unfall drei Nerven aus dem Rückenmark gezogen hat. Nervenwurzelausriss nennt man das. Machen kann man da nichts, weil die Verbindung der Nervenstränge zum Rückenmark zu komplex ist. Aber die Medizinischen Zauberer konnten mir sowas wie einen Nervenbypass einpflanzen. Sie haben einen eher unwichtigen Nerv aus meinem Bein entfernt und dazu benutzt, zwei Nervenverbindungen des Armes wiederherzustellen. Jetzt gibt mein Zwerchfellnerv ein bisschen Energie bis zu meinem rechten Bizeps ab und der Schulterzuck-nerv gibt etwas an den Armabspreizmuskel.
Das ist jetzt vier Jahre her und es kommt langsamer als erwartet. Ich kann meinen Arm wieder 10-20 cm abspreizen und den Bizeps kontrolliert zucken lassen. Ohne Schwerkraft kann ich den Arm wieder beugen und strecken, wenn auch nur mit einer Mords-Anstrengung. Zweimal pro Woche unterstützt mich ein Physiotherapeut. (Danke Hartmut für die Anstrengungen, die Du in mich steckst). Die Schmerzen/Missempfindungen kommen schubweise und sind Wetterwechselabhängig. Im Sommer ists besser...

... und wenn ich jetzt ein "Einhand-Motorrad" hätte, würde ich wieder fahren!

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